Im Projekt BPM-I4.0 – Process Mining zur Analyse und Präskription industrieller Kernprozesse entwickelt der SICP – Software Innovation Campus Paderborn gemeinsam mit dem Fraunhofer IEM und den Projektpartnern CONTACT Software GmbH, GEA Westfalia Separator Group GmbH und Weidmüller Interface GmbH & Co. KG ein sozio- technisches Assistenzsystem, um mittels Process Mining die Analyse und Präskription industrieller Kernprozesse zu ermöglichen. Die erzielten Ergebnisse sollen Unternehmen dazu befähigen, anhand der Analyse ihrer Prozessdaten die Qualität ihrer Kernprozesse deutlich zu verbessern sowie die Prozessausführung proaktiv zu steuern, um mittel- und langfristig ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und auszubauen.
Der erste Meilenstein konnte im Projekt nach neun Monaten Projektlaufzeit erreicht werden. Aufgrund der aktuellen Corona-Situation fand das erste Meilensteintreffen nach elf Monaten Projektlaufzeit mit den Projektbeteiligten und dem Projektträger in hybrider Form statt. Im Rahmen dessen wurden die bisher erzielten Ergebnisse bezüglich der Anwendungsfallspezifikationen, Maßnahmen zur Prozessverbesserung und der durchgeführten Dateninventur präsentiert.
Schärfung der Anwendungsfälle und Ermittlung von Schwachstellen und Ansatzpunkten für den Einsatz von Process Mining
Im Rahmen umfangreicher Workshops wurden die Anwendungsfälle im Bereich der Produktentstehung (Weidmüller) und der Auftragsabwicklung (GEA) geschärft. Des Weiteren wurden Ansatzpunkte für die Analyse und Verbesserung der Prozesse ermittelt. So wurden erste Zielbilder aufgenommen und definiert, auf welcher Ebene Process Mining in den Unternehmen unterstützend eingesetzt werden kann. Um die Komplexität der zu betrachtenden Prozesse zu verstehen und diese transparent zu machen, wurden mittels weiterer Workshops und Interviews mit am Prozess beteiligten Mitarbeitenden die aktuell etablierten Ist-Prozesse konzeptionell aufgenommen. „Die aus den Interviews erlangten Erkenntnisse halfen uns nicht nur bei der Analyse der Prozesse, sondern auch bei der Ermittlung von Schwachstellen im Prozess. Was sehr deutlich wurde, war die getrennte Arbeit in den einzelnen Abteilungen. Dies hat zur Folge, dass das implizite Wissen entlang des Prozesses nur bedingt gespeichert und weitergegeben wird“, fasst Bernd Löhr, wissenschaftlicher Mitarbeiter im SICP, die Erkenntnisse aus den Interviews zusammen.
Um ein ganzheitliches Bild der Prozesse und der damit zusammenhängenden Anwendungssysteme zu erhalten, wurde zusätzlich eine Dateninventur durchgeführt. Inhalt der Inventur war, nicht nur zu identifizieren, welche Anwendungssysteme verwendet werden, sondern auch, an welcher Stelle im Prozess diese zum Einsatz kommen und wie sie miteinander vernetzt sind. Die Dateninventur hat somit die Grundlage für die Zusammenführung der Prozessdaten in Form von Event-Logs gelegt, welche Aufschluss über den tatsächlichen Ablauf der Prozessinstanzen geben. „Die begrenzte Datenverfügbarkeit hat dazu angeregt, auch unstrukturierte Daten und weiteres Prozesswissen, wie beispielsweise Änderungsstammtexte oder auch Informationen über Materialnummern, mit in die Event-Logs aufzunehmen. Die Anreicherung der Event-Logs mit dieser Art von Daten ermöglicht eine bessere Kontextualisierung und verbessert die Entscheidungsunterstützung“, erläutert Katharina Brennig, ebenfalls wissenschaftliche Mitarbeiterin im SICP.
Erste Schritte Richtung Prädiktion und Präskription der betrachteten Prozesse
Durch die in den Interviews und während der Dateninventur ermittelten Schwachstellen konnten Maßnahmen zur Prozessverbesserung abgeleitet werden. Zur Bewertung dieser Maßnahmen wurden mögliche Kennzahlen erhoben und in einem Kennzahlensystem zusammengeführt, um die Zusammenhänge der Messgrößen zu verdeutlichen. Um sie messbar zu machen, wurden auf Grundlage der Dateninventur die Daten in Form von Event-Logs exportiert. Zusätzlich wurden Features (Merkmale) der Prozesse für die Nutzung von KI-Modellen definiert, welche dabei helfen sollen, Modelle des überwachten Lernens zur Vorhersage von Durchlaufzeiten, zukünftigen Prozessverläufen etc. zu trainieren.
Des Weiteren wurden bereits erste Visualisierungen und Interaktionskonzepte zum Monitoring und zur Steuerung der Prozesse entwickelt. Hierdurch hat sich ergeben, dass es für die beteiligten Unternehmen von großer Bedeutung ist, ähnliche Prozessinstanzen miteinander zu vergleichen und auf Basis dessen Handlungsempfehlungen ableiten zu können. Grund hierfür ist die große Diversität der spezifischen Prozessabläufe.
Weitere Schritte
Nachdem nun das erste Meilensteintreffen erfolgreich absolviert wurde, werden die Interaktionskonzepte weiter ausgearbeitet und die Entwicklung von KI-Modellen zum Einsatz des präskriptiven Process Mining weiter vorangetrieben. Zusätzlich sollen erste Klick-Dummy-Prototypen gebaut werden, welche mit potenziellen Nutzern evaluiert werden sollen. Dies wird in enger Zusammenarbeit mit dem im Projekt beteiligten Softwarepartner CONTACT Software erfolgen. Da häufig nicht alle während des Prozessverlaufs erfassten Daten ohne weiteres unternehmensübergreifend ausgetauscht werden können, werden zusätzlich Verfahren und Werkzeuge zur Anonymisierung der Daten entwickelt. Anschließend soll das entwickelte Assistenzsystem anhand der Anwendungsfälle der Unternehmen evaluiert werden, mittels dem Verbesserungspotenziale bewertet und abgeleitet werden können.