Der Alltag an der Universität Paderborn hat sich aufgrund der Corona-Pandemie stark verändert. Dies gilt insbesondere für den Lehrbetrieb, der zurzeit in großen Teilen über Online-Plattformen abgewickelt wird. Auswirkungen durch die pandemiebedingten Einschränkungen lassen sich aber auch in der Forschung finden.
Wie hat sich diese durch verstärkte Homeoffice-Tätigkeiten und stark eingeschränkte Reise- und Versammlungsmöglichkeiten verändert? Dieser Fragestellung ist eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Professor*innen verschiedener Fakultäten der Universität Paderborn (Prof. Engels, Prof. Heinrichs, Prof. Klüners, Prof. Rohlfing), mit Unterstützung von Gabriele Parisi, Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe von Prof. Engels, in den vergangenen Wochen nachgegangen. „Es bestand nicht der Anspruch, eine wissenschaftliche Untersuchung durchzuführen, sondern ein Stimmungsbild und erste Erfahrungen aus der veränderten Forschungsarbeit aufzunehmen. Auf dieser Basis soll anschließend untersucht werden, wie Forscher*innen in der Zukunft durch neu erkannte Stärken der veränderten Arbeitssituation unterstützt werden können, aber auch Risiken erfasst und Fehlentwicklungen vermieden werden können“, erläutert Prof. Dr. Gregor Engels, Sprecher der Arbeitsgruppe und Professor für Informatik an der Universität Paderborn.
„Um ein breites Meinungsbild zu erhalten, haben wir einen Fragebogen unter allen Professor*innen der Universität Paderborn verteilt. Hierbei haben wir unter anderem nach Veränderungen der Arbeitsweisen gerade im Bereich der Forschung gefragt, welche Auswirkungen dies auf die Praktikabilität hat und wie die Meinung zu einer digitalen Transformation in der Forschungsarbeit ist“, ergänzt Prof. Dr. Ulrike Heinrichs, Professorin für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte an der Universität Paderborn.
40 Forscher*innen aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen der Universität Paderborn haben zum Teil sehr ausführlich auf die Fragen reagiert. „Bei der Analyse der vielfältigen Antworten wurde deutlich, dass in der aktuellen Situation zwei sehr unterschiedliche Diskussionen geführt werden können. Zum einen kann man sich auf die unmittelbaren Veränderungen fokussieren, zum anderen auf die Auswirkungen auf die Arbeitsweise von Forscherinnen und Forschern in der Zukunft, also auf das sogenannte New Normal der wissenschaftlichen Arbeit der Zukunft“, so Prof. Dr. Jürgen Klüners, Leiter der Arbeitsgruppe Computeralgebra und Zahlentheorie an der Universität Paderborn.
Der Fokus der Untersuchungen lag auf der Frage nach den Arbeitsformen der Zukunft. Die Antworten aus der Umfrage zeigen, dass Vor- und Nachteile einer in weiten Teilen digitalisierten Arbeitsweise sehr stark von Faktoren wie Forschungsmethodik, Forschungsgegenstand, Forschungstätigkeit oder Ergebnisverbreitung abhängig sind. Auf der einen Seite haben gerade die an Texten und Dokumenten arbeitenden und die empirisch forschenden Wissenschaftler*innen über gravierende Erschwernisse bis hin zum Stillstand beim Zugang zu ihren Forschungsgegenständen berichtet. Auch die von Maßnahmen der Pandemiebekämpfung vergleichsweise weniger betroffene Laborforschung steht teilweise vor problematischen Veränderungen. Auf der anderen Seite haben viele Befragte den vereinfachten Zugang zu digitalisierten Forschungsgegenständen begrüßt.
Einige Wissenschaftler*innen bemängeln, aufgrund von abgesagten wissenschaftlichen Tagungen, den fehlenden persönlichen und häufig sehr inspirierenden Kontakt zu Kolleg*innen. Andererseits wurde der vereinfachte Zugang zu sehr renommierten Wissenschaftler*innen, etwa im Rahmen von digitalen Vorträgen und Seminaren, betont. Einige Wissenschaftler*innen haben die Ruhe im Homeoffice und die damit vermiedene Hektik durch Reisen zu wissenschaftlichen Veranstaltungen gelobt, während andere den stark erschwerten Netzwerkaufbau gerade in jungen Forschungsbereichen beanstandeten.
„Insgesamt wurde deutlich, dass das Entscheidende in der Gestaltung der Forschungsarbeit der Zukunft sein wird, den richtigen, situationsangemessenen Mix in einer hybriden Arbeitswelt zu finden. Das New Normal wird also nicht eine reine Schwarz-Weiß-Entscheidung zwischen Fragen des Arbeitsplatzortes, der Arbeits- und Kommunikationsform oder der technischen Unterstützung sein, sondern eine situationsabhängige Mischung aus verschiedenen Formen. Wir fassen dies deshalb unter der Aussage: “The New Normal is on a Hybrid Spectrum!” zusammen“, schlussfolgert Prof. Dr. Katharina Rohlfing, Leiterin der Arbeitsgruppe Psycholinguistik an der Universität Paderborn.
Damit diese neue hybride Form der Arbeit wirklich zu einer akzeptablen Form wird, sind einige Voraussetzungen zu erfüllen. Dies betrifft z. B. die technische, räumliche, datenschutz- und arbeitsrechtliche Ausstattung eines häuslichen Arbeitsplatzes. Aber auch das Verständnis der Situation von Forscher*innen der Universität Paderborn, die sich in einer globalen, vernetzten, miteinander konkurrierenden Wissenschaftswelt bewegen, ist darüber hinaus von großer Bedeutung.
Es ist geplant, das New Normal in der Arbeitswelt von Wissenschaftler*innen fortlaufend zu beobachten, wissenschaftlich zu begleiten und ständig weiterzuentwickeln. Hierbei soll auch auf Erkenntnissen aus dem laufenden NRW Forschungskolleg zum Thema Arbeit 4.0 aufgebaut werden. „Interessierte aus Wissenschaft und Wirtschaft sind eingeladen, mit uns über dieses wichtige Thema der Forschungs- und damit auch der Transferarbeit zu diskutieren und es gemeinsam mit uns zu gestalten“, so Prof. Engels.